Sachversicherungen Lupine zieht aufs Land: 05 April 2007
 

Donnerstag, 5. April 2007

Ohne Moos nix los

Am Tag vier bietet sich mir ein Schauspiel, das den Vergleich mit der Szenerie römischer Gladiatorenkämpfe nicht scheuen muss: Der Mann hat seinen nagelneuen Vertikutierer aus der Halle gerollt und misst sich nun mit dem Sohn des betagten Nachbars von nebenan. Jener betagte Nachbar schafft es zwar gerade noch, den Rasen zu mähen. Fürs Vertikutieren jedoch muss der Sohnemann ran.
Unbedingt gefallen tut das dem alten Nachbarn wohl nicht, denn Karl-Heinz, unser Nachbar von der anderen Seite, meint, dass er auch so viel im Garten arbeiten würde, wenn er solch eine Frau hätte wie unser Nachbar von links. Ne Hex sei das. Wir sehen sie nie, hören sie nur manchmal keifen.
Am ersten Tag hat sie neugierig aus dem Wintergarten herausgelugt, als wir den Hund begruben, aber offensichtlich nicht verstanden, was wir da tun. Sie hat trotzdem einen freundlichen Gruß herüber gerufen. Über den Balkon kann ich sehen, dass ihr Mann immer die Geschirrspülmaschine ausräumen muss. Er bückt sich, nimmt ein Tellerchen, watschelt zum Schrank, legt es rein, watschelt zurück zur Spülmaschine. Sie jedoch bleibt weitgehend ein Phantom.
Jetzt jedenfalls sind die Herren mittleren Alters an der Reihe, ihre Kräfte unter Beweis zu stellen. Ich muss zugeben, dass unser Vertikutierer optisch zwar auf der Siegerposition ist, aber der Mann dahinter nur schlecht abschneidet. Der Nachbarssohn, der beim Vertikutieren heldenhaft mit seiner Pollenallergie kämpft, hat eindeutig das billigere Modell mit weniger Kraft und mehr Plastik, doch genau deshalb hakt es sich nicht zu stark im lehmigen Boden fest. Der Mann hingegen schiebt Frust. Es geht nur mühsam vorwärts, und wenn es vorwärts geht, hinterlässt er aufgewühlte Erde und bergeweise Moos. Der Nachbarsrasen sieht hingegen auch danach noch wie ein Rasen aus: anständig kurz geschoren und nur stellenweise bräunlich. Unser Rasen - nun ja, reden wir nicht darüber.

Abends stellen wir fest, dass die Biotonne höchstens ein Zwanzigstel des Mooses fassen kann. Kurzerhand schichtet der Mann das Moos zu einem graugrünen, losen Haufen hinter der Halle auf, von der sich die Spatzen begeistert Nistmaterial holen und laut tschilpend zu unseren Dachbalken flattern, um Bettchen für den Nachwuchs zu bauen.
Ich muss kurz an Ronja Räubertochrter denken - an die Szene, in der sie sich mit Birk wegen des verlegten Messers streitet und dann die Stute findet, die so schwer vom Bären verletzt wurde. Sie holt getrocknetes Moos, um es auf die Wunde zu legen und den Blutfluss zu stoppen. Und dabei findet sie auch das verloren geglaubte Messer wieder.

Also, falls ein Bär aus dem Wald kommen sollte und Pferd, Schaf oder Huhn anfällt, dann bin ich diejenige, die zur Heldin des Dorfes aufsteigen kann. Ich habe Moos für ein ganzes Lazarett an Tieren.

Das Dorf der Finsternis

Am Tag drei sind wir so weit, dass wir andere Menschen wahrnehmen können - das Schlachtfeld der Kisten hat sich gelichtet.
In der Dämmerung treffen wir draußen auf der Straße Herrn K. von gegenüber. Er war Seemann und kommt aus Dortmund, hat sich aber nun hier niedergelassen, in seinem einstigen Ferienhaus. Herr K. hat alles, was das Herz begehrt - einen Kaminofen, eine kleine Sauna, einen Wintergarten, ein Stück Wiese, ein Stück Feld, ein paar Bäume und ein Recht, im Wald Brennholz zu schlagen.
Letzten Winter hat Herr K. auch den roten Streunerkater adoptiert. "Der hatte Eisklumpen am Bauch hängen, als ich ihn vor der Haustür fand. Da hab ich ihn mit reingenommen." Ich beschließe, dass Herr K. trotz seines finsteren Aussehens ein gutes Herz hat. Er hat den Roten kastrieren lassen, aber nun kommt der unkastrierte Kater eines unbelehrbaren Nachbarns immer durch die Katzenklappe, frisst dem Roten das Futter leer und uriniert an seine Terrassentür. Die Nachbarn wollen ihn nicht kastrieren lassen. Begründung: "Wir lassen ihn sowieso nicht zu uns rein." Deshalb probiert er es ja dann auch bei Herrn K.
Die Lebensgefährtin von Herrn K. meint, es würden sich viele umbringen im Dorf. Gerade vor kurzem noch habe ein gut betuchter Bürger sich plötzlich von einer Brücke gestürzt. Niemand wisse, warum. Sei eigentlich alles in Ordnung gewesen. Und dann war da noch einer unten im Feriendorf, wo abends oft der Nebel über den Bäumen hängt.

Abends überlegen wir, ob hier die Selbstmorde eher bekannt werden als in der Stadt, oder ob im Winter tatsächlich suizidale Stimmung herrscht. Wir jedenfalls starten heiter in den Tag. Auf unserem Rasen glitzert jeden Morgen der Raureif, und wir machen in den ersten Tagen das Weckradio wieder aus, um den Vogelstimmen lauschen zu können.

Aber wir sind ja auch erst drei Tage lang hier.

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